Begierdelosigkeit

Bürokratie ist in vielen etablierten Unternehmen zu einer großen Last geworden.
Ständig neue Regulierungen versuchen immer neue (Entscheidungs-)Sicherheit in immer komplexere Arbeitsabläufe zu bringen.
Bei Behörden, Trägerschaften und Unternehmen.

Es gibt eine immer kürzere Taktung bei Veränderungen und immer mehr Einflussfaktoren im globalen Dorf. Daher werden wir nicht mehr alles durch Regeln steuern können. Wenn man erst für jeden neuen Präzedenzfall eine Regel formulieren möchte ist die Chance oft schon vergeben.
Entscheidungen müssen nun aber vermehrt dort getroffen werden, wo die Entscheidungsmöglichkeiten auftreten. Der Mitarbeiter muss die Verantwortung übernehmen, einen Weg zu gehen und sich von den anderen Möglichkeiten zu trennen („zu scheiden“). Dies bedeutet in vielen Arbeitsbereichen mittelfristig einen Sicherheitsverlust, denn Vorgaben schützen vor eigenen Fehlern und dienen als Sicherheitsnetz.

Eine der größten Herausforderungen der zukünftigen Arbeitswelt wird es daher sein, Menschen zu ermächtigen, eigenverantwortlich Lösungen zu wählen. Also selbst Antworten zu geben. Dies benötigt gerade bei Menschen, die seit Jahrzehnten ohne eigene Entscheidungsmacht ihre Lohnarbeit verrichtet haben, eine sensible Vorgehensweise.
Eine „Begierdelosigkeit“ aufzubrechen, und wieder durch den Stolz der Eigenverantwortung zu ersetzen, ist ein langer und zum Teil schmerzhafter Prozess. Hierfür muss eine Einstellung vorgelebt werden, die Mut und Fehlerakzeptanz erlaubt. Nur wer selbst richtig eingestellt und gestimmt ist, kann die richtige Atmosphäre schaffen. Und nur im Dialog und durch vorsichtige Fragen kann erfahren werden, welcher Mitarbeiter sich schon ein Stück weit aus dem Käfig der bisherigen Managementmethoden heraus traut. Ein Auswildern erfolgt auch in kleinen Schritten.

Beginnen kann man, in dem man auf Augenhöhe gemeinsam prüft, welche internen Regelungen nicht mehr zeitgemäß oder zu detailliert sind. Auch ein Blick auf bereits bestehende, informelle Systeme im Unternehmen kann hilfreich sein. Denn oft haben sich schon eigenverantwortliche Schattenbereiche gebildet. Diese gilt es zu akzeptieren und zu „legalisieren“, denn sie sind meistens sinnvoller und zeitgemäßer als die vorhandenen Vorgaben.

Nur wenn wir es schaffen, die „Armut der Begierde“ durch eine neue Gier – die Neugier – zu ersetzen, ist der erste Schritt in Richtung der New Work in älteren Unternehmen geschafft.

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